„Schmetterling erbeutet! – Eine künstlerische Position zum Jugendstil von Parastou Forouhar“
In einer Großen Sonderausstellung feiert das Badische Landesmuseum die „Göttinnen desJugendstils“. Darauf nimmt ab 19. März die Studioausstellung „Schmetterling erbeutet!“ in den Räumen der Sammlung „WeltKultur / GlobalCulture“im Karlsruher SchlossBezug. In der eigens konzipierten Schau rückt die international gefeierte Künstlerin Parastou Forouhar (geb. 1962) ein für den Jugendstil signifikantes Phänomen in den Blick: das systematische Ornament.
In ihrem Œuvre geht Forouhar mit dem Ornament ins Gericht. Auf bildfüllenden Flächen deckt sie seine Ambivalenz auf. Durch eine nur geringe Abweichung von der Norm spürt sie der fatalen Schönheit des Ornaments in der gereihten Wiederkehr des immer gleichen Motivs nach: einerseits Mysterium durch Gleichklang, andererseits Raster und Ordnung als Zeichen politischer Repression und Gewalt. So sind auch die Werke der Studioausstellung eine Aufforderung, die Lesbarkeit des Ornaments aufzubrechen: In ihrer neuen Objektinstallation „Die Schmetterlinge“ verdichtet sich das Schöne und das Schreckliche gleichzeitig im Gewand von Tagfaltern. Als Sinnbild für die Leichtigkeit des Seins wird das in Schaukästen präsentierte Totem-Tier zu einer Falle des Grauens. Ergänzt wird die Installation durch ihre digitalen Zeichnungen „Unwetter IV“, die mit Kumulus-Wolken die alte Bedeutung der Wolke neu interpretieren: Einst Symbol für das Verhüllen und Verdecken des Guten und Heiteren, enthüllen sie nun Leid und Schreckens-Szenarien auf Erden. Zu kalligraphischen Ornamenten verwandeln sich außerdem die Blicke in der Wandinstallation „Augen“. Aus dem Dickicht menschlicher Gliedmaßen heraus beäugen sie die Besucherinnen und Besucher.
Mit seiner alten Dynamik zwischen Form und Inhalt, reiner Ordnung und Symbol kaschiert das Ornament die Brutalität und Unterdrückung totalitärer Weltanschauungen. Ob wabenartig umrandet oder zu neuen Musterfolgen geordnet: Die Motive führen die Bandbreite einer Diktatur vor Augen, die Andersdenkende in ihren „heiligen“ Reihen nicht duldet. Die Gleichförmigkeit ihrer „schönen“ Struktur lässt der Individualität keinen Raum, die durch staatliche Spitzel aus allen Ecken argwöhnisch beäugt und unterdrückt wird. Mit ihren ornamentalen Kunstschöpfungen tritt Parastou Forouhar für Kultur- und Genderfragen ein, die von zeitlos universeller Natur sind. Im Dialog mit der diesjährigen Sonderausstellung trägt ihre Installation eine vielschichtige Botschaft, die zu entschlüsseln, die Aufgabe der Betrachtenden wird.
Das Ornament als Vorbild
Zum ausgehenden 19. Jahrhundert verabschiedet die künstlerische Avantgarde den strengen Historismus. Charakteristisch für den Jugendstil wird in Architektur, Malerei und Kunstgewerbe das Ornament. Als inspirierendes
Vorbild dient die Kunst des „Orients“. Die Werke in Bild und Schrift scheinen den geschwungenen Linien der Schöpfung zu folgen: Ornamente, die sich der Formensprache der Natur bedienen.
Das Ornament ist der wohl typischste Ausdruck islamischen Weltverständnisses. Dem Gesetz der immerwährenden Gabelung gehorchend, wirkt seine Spielart – die Arabeske – in die Tiefe des Daseins. In der physischen Welt des Islam gilt sie als Spiegel des geistigen Universums. Im Werk von Forouhar wird das Ornament entlarvt. Indem sie auf die Darstellung eines konkreten Inhalts verzichtet und sich der strengen Form des Dekors überlässt, entlockt Parastou Forouhar dem Gezeigten die Quintessenz einer fragwürdigen Weltanschauung.
Schmetterling erbeutet! Eine künstlerische Position zum Jugendstil von Parastou Forouhar
Studioausstellung in der Sammlungsausstellung
„WeltKultur / GlobalCulture“, Schloss Karlsruhe
19. März 2022 – 19. März 2023
Di–Do 10–17 Uhr, Fr–So, Feiertage 10–18 Uhr
Karfreitag bis Ostermontag: geöffnet
Eintritt: 8 Euro, erm. 6 Euro
Weitere Infos unter > www.landesmuseum.de
Die ausgestellten Werke der Künstlerin können erworben werden. E-Mail > schoo-le.mostafawy(at)landesmuseum(dot)de
Badisches Landesmuseum
Schloss Karlsruhe
Schlossbezirk 10, 76131 Karlsruhe
Kontakt & Anfahrt: Tel. 0721/926 6514 | Anfahrt per Google Maps
[Quelle: © Pressemitteilung Badisches Landesmuseum Karlsruhe]
Veröffentlicht am 21.03.2022